Die faszinierende Geschichte von Lichtenrade
Lichtenrade, heute ein charmanter Kiez im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg, hat eine lange und bewegte Geschichte. Der Name des Ortes lässt auf die Rodung von Bäumen zurückführen, die um 1250 stattgefunden haben könnte. Obwohl die Gründung von Lichtenrade nie ganz geklärt wurde, lässt sich seine Geschichte dennoch anhand zahlreicher historischer Ereignisse nachvollziehen.
Im Jahr 1375 wurde Lichtenrade erstmals urkundlich erwähnt und gehörte damals zum Kreis Teltow und zum Regierungsbezirk Potsdam. 1427 übertrug Markgraf Johann bedeutende Rechte und Vorrechte für Lichtenrade an den Berliner Bürger Heinz Donner. Im 15. Jahrhundert gehörte Lichtenrade dem Kurfürsten Friedrich II., und im Jahr 1475 belehnte Kurfürst Albrecht Achilles den Cöllner Bürger Bartholomäus Schaum mit Lichtenrade. Die Erben der Familie Schaum blieben bis 1688 Grundherren in Lichtenrade.
Im Laufe der Jahre wechselte der Ort häufig seine Besitzer und unterlag verschiedenen Regierungen. Im Jahr 1702 wurde eine strenge Dorfordnung für Lichtenrade eingeführt, die unter anderem das Kartenspielen im Dorfkrug verbot. 1732 erhielt Lichtenrade einen „spanischen Mantel“ zur Bestrafung von Missetätern. Der „Spanische Mantel“ war eine mittelalterliche Foltermethode, bei der der Körper des Opfers in einen kegelförmigen Metall- oder Holzapparat gezwängt wurde, während die Hände an den Seiten gefesselt waren. Je nach Schwere der Strafe wurde das Gerät erhitzt oder Gewichte an den Füßen des Opfers befestigt, um den Druck im Inneren des Kegels zu erhöhen und die Schmerzen zu verstärken. Im Jahr 1741 dokumentierte der Ortspfarrer den damaligen Stand des Dorfes.
Im Jahr 1769 wurde die mittelalterliche Kirche von Lichtenrade grundlegend erneuert, und 1773 fand die Flurbereinigung statt, die von Hofrat Kaspar Düring, einem ehemaligen Kammerdiener des Prinzen Ferdinand, vorangetrieben wurde. 1775 wurde der Lichtenrader Graben zur Entwässerung der Feldmark angelegt.
Die Geschichte von Lichtenrade ist auch geprägt von wichtigen Infrastrukturentscheidungen, wie der Eröffnung der Provinzial-Chaussee Berlin-Kottbus im Jahr 1838 und der Errichtung einer Posthalterei auf dem Lehnschulzengut. 1875 wurde die Dresdner Bahn eröffnet, und im Jahr 1883 erhielt Lichtenrade eine Postagentur und eine Haltestelle an der Bahn.
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit des Wachstums und des Fortschritts für Lichtenrade. 1892 wurde das Bahnhofsgebäude erbaut, und 1894 gründeten acht junge Lichtenrader den Turnverein „Frisch auf“. Im Jahr 1897 entstand die Mälzerei der Schlossbrauerei Schöneberg, deren Gleise zur Anlieferung von Rohstoffen und zum Transport der fertigen Produkte nicht nur von der Brauerei selbst, sondern auch von anderen Gewerbetreibenden in Lichtenrade genutzt wurden. Diese gemeinsame Nutzung der Gleisanlagen trug zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Ortes bei.
Die Jahrhundertwende brachte weitere Veränderungen für Lichtenrade, wie die Errichtung der Volksschule im Jahr 1898, die Versorgung mit Gas im Jahr 1902 und die Einweihung des Diakonissen-Mutterhauses „Salem“ im Jahr 1906. Im Jahr 1920 wurde Lichtenrade schließlich Teil des neu gegründeten Groß-Berlin, was eine deutliche Vergrößerung des bisherigen Dorfgebietes zur Folge hatte.
Während des Zweiten Weltkriegs erlitt Lichtenrade, wie viele andere Orte in Berlin, schwere Zerstörungen durch Bombenangriffe. Nach Kriegsende begann der Wiederaufbau des Stadtteils, und in den 1950er und 1960er Jahren entstanden viele neue Wohngebiete, die Lichtenrade zu einem attraktiven Wohnort für viele Berliner machten.
Die Zeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands brachte auch für Lichtenrade neue Chancen und Herausforderungen. Die Verbesserung der Infrastruktur und die Erneuerung der historischen Bausubstanz trugen zur weiteren Aufwertung des Stadtteils bei. Heute ist Lichtenrade ein lebendiger und vielfältiger Kiez, der seine historischen Wurzeln bewahrt hat und gleichzeitig den Anforderungen der modernen Stadt gerecht wird.
In der Geschichte von Lichtenrade spiegeln sich viele Aspekte der Berliner Stadtentwicklung wider: die Entstehung eines Dorfes im Mittelalter, die Industrialisierung und Expansion im 19. Jahrhundert, die Zerstörung und der Wiederaufbau im 20. Jahrhundert und schließlich die fortlaufende Weiterentwicklung im 21. Jahrhundert. Mit der Eröffnung des Flughafens BER im Jahr 2020 hat sich die Anbindung und Nähe Lichtenrades zum einzigen Berliner Flughafen verbessert, was dem Stadtteil zusätzliche Bedeutung verleiht. Diese faszinierende Geschichte und die strategische Lage machen Lichtenrade zu einem einzigartigen und interessanten Kiez in der deutschen Hauptstadt.